Du betrachtest gerade Die Türkenfelder Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt – ein Ort zum Reinschauen und Innehalten
Die Türkenfelder Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt – ein Ort zum Reinschauen und Innehalten

Wie es sich für ein ordentliches Dorf gehört, so steht auch mitten in Türkenfeld eine Kirche, erbaut 1489, also mit einem rekordverdächtigen Alter von über 500 Jahren. Zu dieser Zeit baute man überall gotische Kirchen. Das kann man der Türkenfelder Kirche heute nur noch von außen ansehen. Wie die Kirche damals von Innen ausgesehen hat, weiß keiner mehr. Allein die Kreuzigungsgruppe in der südlichen Seitenkapelle stammt noch aus dieser Zeit. Ansonsten wurde das Innere von 1756 bis 1812 komplett umgestaltet im Stil des Rokoko, der damals modern war.

Im 18. Jahrhundert gab es in Türkenfeld, wie in vielen anderen Orten auch, eine Rosenkranzbruderschaft, deren Ziel es war, das Rosenkranzgebet zu fördern. Diese Bruderschaft existierte bei uns bis über die 1950er Jahre. Noch heute werden jedes Jahr bei der Fronleichnamsprozession die Bruderschaftsstangen der Rosenkranzbruderschaft mitgetragen und in der Kirche aufgestellt. Im Gemeindearchiv gibt es ein Buch, in dem die Mitglieder, die Ausgaben und Einnahmen der Laienbruderschaft aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts handschriftlich festgehalten sind. Daraus geht hervor, dass hier Geldmittel aus Mitgliedsbeiträgen und Geldverleih vorhanden waren, mit denen sich die Umgestaltung der Kirche mitfinanzieren ließ.

Maria und der Rosenkranz
Die Rosenkranzbruderschaft beeinflusste die Thematik der Darstellungen in der Kirche. Maria und ihr Leben sorgen für eine einheitliche Gestaltung, angefangen vom Hochaltar, der die Aufnahme Mariens in den Himmel zeigt, über das Deckengemälde im Chorraum, wo Maria als Himmelskönigin thront. Marienfiguren gibt es einmal in der nördlichen Seitenkapelle und dann am linken Seitenaltar mit Maria als Kind neben ihrer Mutter Anna, flankiert vom heiligen Joachim, ihrem Vater, und Joseph. Das Patrozinium an Mariä Himmelfahrt, dem 15. August, teilt sich unsere Kirche mit fast 500 anderen Kirchen in Deutschland.

Daneben durfte bei der Umgestaltung natürlich nicht das Rosenkranzthema fehlen. Der Sage nach wurde das Rosenkranzgebet dem heiligen Dominikus in einer Marienerscheinung geoffenbart. Dies ist dargestellt im Deckengemälde im Kirchenschiff. Eine Figur des heiligen Dominikus ist auch am Hochaltar zu Füßen der Mutter Gottes zu sehen. Sowohl am Hochaltar als auch im Deckengemälde ist Katharina von Siena mit dabei, eine herausragende Dominikanerin, der der heilige Dominikus erschienen sein soll. Eine weitere Anspielung auf die Kraft des Rosenkranzgebetes findet sich auf dem Deckengemälde im Kirchenschiff: Papst Pius V. hatte beim Rosenkranzgebet den Sieg in der Seeschlacht von Lepanto 1751 vorhergesehen. Beides, die Schlacht und auch der betende Papst sind dort abgebildet, in einem Gemälde, das 1766, also nur wenige Jahre danach entstand.

Heute Rokoko vom Feinsten, doch ursprünglich wurde Mariä Himmelfahrt 1489 als gotische Kirche erbaut
Erinnern an die Rosenkranzbruderschaft – die Bruderschaftsstangen an Fronleichnam

Namhafte Künstler
Lohnenswert ist ein Besuch in der Kirche auch, weil für die Umsetzung der Gestaltung namhafte Künstler aus der Umgebung gewonnen werden konnten. So schreibt Johann Georg Siebenhüter, der von 1797 bis 1845 Pfarrer in Türkenfeld war, in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen unter der Rubrik „4. Die dörflichen Merkwürdigkeiten“, dass im Jahr 1804 der „Stukador in Wessobrunn“ Michael Sporer für 700 Florin (= Gulden) den Choraltar neu gemacht hat, nachdem er bereits im Jahr zuvor für 120 Florin einen neuen Tabernakel geschaffen hatte. Gefasst und transportiert wurde der Altar von einem Maler aus Dünzelbach für 1200 Florin. Laut einer Umrechnung im Internet entsprechen die 700 Gulden einem heutigen Gegenwert von ca.18.000 Euro. Das war also eine Menge Geld.

Aus den Aufzeichnungen von Pfarrer Josef Thomas Wolfinger (hiesiger Pfarrer von 1845 bis 1872) geht hervor, dass die Anna-Statue am linken Seitenaltar 1857 vom Münchner Bildhauer Wilhelm Niessen angefertigt und mit Spenden aus der Gemeinde finanziert wurde. Dieser Künstler bekam auch Aufträge von der Erzdiözese München Freising bei der Gestaltung des Münchner Doms.

Das Deckengemälde im Altarraum stammt von dem bekannten Rokoko-Maler Christoph Thomas Scheffler, einem Schüler der Brüder Asam in München. Der Maler starb 1776, zwei Jahre nachdem er 1774 das Gemälde in Türkenfeld schuf. Inwieweit er es selbst ausführte oder nur entwarf, ist unklar, weil es signiert ist mit den Worten „Scheffler invenit“. Das würde bedeuten, dass er es nur entworfen hat.

Eingebettet sind alle diese Kunstwerke in viel Stuck von den bekannten Wessobrunner Stukkatoren Schmuzer. Deren Stuck ist in vielen berühmten Kirchen in der weiträumigen Gegend zu finden und trägt dort für Türkenfelder zu einem gewissen Wiedererkennungswert bei.

Im Deckengemälde des Langhauses dargestellt: Der hl. Dominikus erhält den Rosenkranz aus der Hand der Gottesmutter
Unklar ist, ob Christoph Thomas Scheffler das Gemälde im Altarraum nur entworfen oder auch gemalt hat
Neben der Orgelempore sind zwei Evangelisten dargestellt

Der Lechhansl
Ein weiterer bekannter Maler und Freskant dieser Zeit gestaltete das Deckengemälde im Kirchenschiff: Johann Baptist Baader, genannt Lechhansl. In Lechmühlen, einem Ortsteil von Fuchstal im Landkreis Landsberg geboren, war er an der Gestaltung vieler bekannter Kirchen in der Umgebung beteiligt, zum Beispiel Rottenbuch, Steingaden, Andechs, Wessobrunn und Polling. Der volkstümliche Maler hat ein gewisses Zeitzeugnis geschaffen, weil er die Menschen so malte, wie man sie damals in unserer Gegend antreffen konnte. Außerdem finden sich auf seinen Gemälden immer wieder Szenen, die zum Schmunzeln anregen. Im Türkenfelder Deckengemälde im Kirchenschiff ist das zum Beispiel ein Kleinkind, das über die Schulter seiner zur Gottesmutter betenden Mutter interessiert nach hinten zum Betrachter schaut. Insgesamt besteht das Gemälde aus vier Szenen, vorne im Zentrum Maria als Himmelskönigin, die dem heiligen Dominikus den Rosenkranz überreicht, während gleichzeitig das Jesuskind auf ihrem Arm der heiligen Katharina von Siena einen Kranz aus Rosen aufsetzt.

Auf der Nordseite ist die gleichnishafte Rettung des Alten Bundes durch Judith dargestellt, die das abgeschlagene Haupt des Holofernes präsentiert. Hier zeigt sich eine gewisse Vorliebe des Lechhansl für drastische Szenen. Im Gegensatz dazu stellt sich das zugrunde liegende Ereignis in der Bibel im Buch Judith fast schon poetisch dar und ist geprägt von Judiths bedachtem und auf Gott vertrauendem Handeln, das nicht auf Sensation ausgerichtet war. Auf der südlichen Seite ist die Verteidigung des Neuen Bundes gegen die Osmanen in der Seeschlacht von Lepanto dargestellt, ein Gemetzel ohnegleichen, wo dem Anführer der Osmanen, Ali Pascha, der Kopf abgeschlagen wurde und wo es binnen weniger als vier Stunden fast 40.000 Tote gab. Über all den Szenen thront Gott Vater auf die Weltkugel gestützt, mit einer Wolke besetzt mit Engerln über sich.

Das Deckengemälde ist seitlich umgeben von Bildern der vier Evangelisten, davon Markus und Lukas beiderseits der Orgelempore. In dem Evangelist Lukas, der gleichzeitig der Schutzpatron der Maler ist, hat sich Johann Baptist Baader, vor einer Staffelei sitzend und die Gottesmutter malend, selbst dargestellt. Dies ist ebenfalls eine Eigenart von ihm. Auf der anderen Seite der Orgelempore beim Evangelisten Markus hat er seine Signatur angebracht: „Baader Lechmihler pinxit 1766“

Im Bild des Evangelisten Lukas hat sich der Maler Johann Baptist Baader selbst dargestellt
Das Bild des Evangelisten Markus mit der Signatur des Malers Baader in der Löwenpranke
2003 - die Schriftkartusche im Chorbogen enthält in römischen Ziffern (MMIII) das Jahr der jüngsten Kirchenrenovierung

Eine Daueraufgabe
Es ist nicht genug, einmal eine schöne Kirche zu gestalten. Aus allen Aufzeichnungen früherer Pfarrer geht hervor, dass laufend am Erhalt der Kirche, sowohl außen als auch an den darin erhaltenen Kunstwerken gearbeitet wurde, damit sie stets einen würdigen Rahmen für die Gottesdienste und die Gebete darstellte. Von einer größeren sachkundigen Sanierung der Gemälde im Jahr 1909 wird in der Pfarrchronik berichtet. Eine weitere umfassende Restaurierung wurde 1953 durchgeführt. Dabei wurde das Gestühl, das bis dahin aus durchgehenden langen Reihen bestand, in zwei Hälften geteilt, so dass ein Mittelgang entstand. Und die ursprünglich seitlichen Wangen wurden zum Mittelgang hin angebracht. Die letzte große Innenrenovierung wurde 2003 abgeschlossen. Diese Jahreszahl findet sich versteckt in der Schriftkartusche am Chorbogen. In dem Chronogramm „MARIA REGINA IN COELO ASSUMPTA“ sind die entsprechenden Buchstaben für die 2003 in römischen Ziffern hervorgehoben.

Bleibt zu hoffen, dass den Menschen in Türkenfeld das Gespür für die schöne Kirche erhalten bleibt und dass sie auch weiterhin gemeinsam für deren Erhalt sorgen. Nicht zuletzt, weil an diesem Ort die Gebete der Türkenfelder und Türkenfelderinnen aus mehr als fünf Jahrhunderten, aus Alltag und Zeitgeschichte, schlummern. Es lohnt sich auf jeden Fall, immer wieder reinzugehen, hinzuschauen und innezuhalten, denn die Kirche ist ein Stück gelebte Dorfgeschichte.

Bis zur Renovierung 1953 waren die Kirchenbänke noch durchgehend und ohne Mittelgang angeordnet
Nördliche Seitenkapelle

Erschienen in der Sommer TiB – Ausgabe 46, S. 10, Irmgard Meißner

 Quellen:

  • In der Kirche aufliegender Kirchenführer von 1996 vom Kunstverlag PEDA
  • Gemeindearchiv, mit herzlichem Dank an den Arichvar Dieter Hess
  • Pfarrchronik von 1792 bis 1881
  • johann-baptist-baader.de