Türkenfeld versteht es zu feiern. Das zeigen die beiden zurückliegenden Dorfjubiläen 1962 und 1999. Beim Rückblick werden viele Erinnerungen wach.
Zur 1200-Jahrfeier findet 1962 ein Festwochenende statt
1962 waren wir als Dorfkinder nicht gerade verwöhnt, was größere Feierlichkeiten anbelangt. Umso mehr freuten sich alle auf das große Festwochenende. Dieses fand am 19. und 20. Mai statt anlässlich der 1200-jährigen, durch eine Urkunde aus dem Jahr 762 belegten Geschichte unseres Dorfes. Es gab ein Festzelt an der heutigen Aresingerstraße neben dem Anwesen Dietrich mit dem Ehepaar Josef und Anna Hartl als Festwirten. Der heutige Josef Hartl sen., der damals ein Teenager war, erinnert sich, dass das eine große Herausforderung für seine Eltern war. Er selbst hat mit einem kleinen motorisierten Gefährt der Firma Trautner ständig Nachschub von der Wirtschaft zum Festzelt transportiert.
Höhepunkt der Veranstaltungen war am Samstag der Festabend mit Reden vom Bürgermeister, damals Konrad Huß, Kreisheimatpfleger Wolfgang Völk und dem Landrat. Umrahmt wurde das Programm von einer Blaskapelle aus Penzberg. Made in Türkenfeld waren Beiträge vom Kinderchor, Männerchor und einer Mischung aus beiden, die allesamt der damalige Hauptlehrer Josef Springer dirigierte. Am Sonntag fand am Vormittag ein Festgottesdienst statt und am Nachmittag das Kreissingen des Landkreises. In Erinnerung geblieben ist vielen der auch in der Presse erwähnte, das Fest umrahmende „waschechte Schnürlregen“.
Als Andenken an dieses Jubiläum hat sicher die eine oder andere Familie noch ein Exemplar der sehr gut gelungenen Festschrift mit Beiträgen zur Geschichte Türkenfelds, der Kirche und der Schule, sowie Interessantes zu den Hausnamen und zu anderen Themen aus dem Dorf. Verfasst wurden diese Abhandlungen vom Ortschronisten Andreas Dietrich, vom Kreisheimatpfleger, von den Lehrern der Schule und vom damaligen Pfarrer Adolf Kiefer.
Begeistert vom Fest
Am Montag nach dem Jubiläum drückte ich, damals vier Jahre alt, nochmal meine restlose Begeisterung über das Fest aus und dass ich fest entschlossen sei, bei der nächsten 1200-Jahrfeier wieder dabei zu sein. Meine ältere Schwester, die bereits am Ende der ersten Klasse und mir dadurch intellektuell weit überlegen war, erklärte, dass eine 1200-Jahrfeier eine einmalige Angelegenheit sei und ich deswegen kein zweites Mal dort hingehen könne. Es gäbe höchstens eine 1300-Jahrfeier, aber da die erst in 100 Jahren stattfinden würde, müsste ich über 100 Jahre alt werden, was eher unwahrscheinlich sei. Unsere Mutter versuchte meine Enttäuschung zu mildern, indem sie einwarf, dass es ja vielleicht auch eine 1250-Jahrfeier gäbe. Abermals kehrte meine Schwester ihre Mathematikkenntnisse heraus und rechnete mir vor, dass ich darauf ganz schön lange warten müsse, nämlich bis ich über 50 Jahre alt sei.
Neuer Archivfund! 1999 werden Türkenfelds 1250 Jahre gefeiert
Denkste! Nur 37 Jahre nach der 1200-Jahrfeier, ich bin noch lange nicht 50 Jahre alt, feiert Türkenfeld seine 1250 Jahre. Diesen späten Triumph über den damals wurmenden Wissensvorsprung meiner Schwester verdanke ich den genauen Recherchen des Bürgermeisters Hans Wölfel zusammen mit dem damaligen Pfarrer Gabriel Haf. Sie hatten im Rahmen der ersten Vorbereitungen für Feierlichkeiten zur 1225-Jahrfeier, die 1987 stattfinden sollte, eine noch ältere erste urkundliche Erwähnung von Türkenfeld gefunden. Im Salzburger Urkundenbuch ist im Jahr 749 eine Schenkung von „Duringveld“ an das Kloster Otting festgehalten.
Damit war es eindeutig zu spät für eine 1225-Jahrfeier. Aber bis zur 1250-Jahrfeier war nun genug Zeit, um ordentlich was auf die Beine zu stellen. Das Ergebnis war großartig. Georg Klaß, der 1999 Bürgermeister war, gelang es, bei der Vorbereitung und Durchführung der Feierlichkeiten den gesamten Gemeinderat, alle Vereine und viele Bürgerinnen und Bürger einzubinden.
Die Grafikerin Heidi Naßl entwarf für das Fest eigens ein Logo. Es enthält das Türkenfelder Wappen, das es erst seit 1970 gibt, eingebunden in die mittelalterliche Vergangenheit und die Gegenwart, dargestellt durch Reiter als Anspielung auf den traditionellen Silvesterritt. In vielen Türkenfelder Schränken stehen wahrscheinlich noch die Bierkrüge mit dem Logo drauf, die es damals als Andenken an das Jubiläum zu kaufen gab.
An der ehrenamtlich erstellten Festschrift war federführend Hubert Mayer aus Peutenmühle beteiligt. Kurzweilig und mit vielen Bildern wird hier die Dorfgeschichte durch die unterschiedlichen Zeiten dargestellt. Ein Teil ist den Vereinen gewidmet, die das Dorfleben prägen. Unter den Grußworten ist sogar eines von Edmund Stoiber, dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und Schirmherrn des Festes.
Das Wetter spielte diesmal bei allen Veranstaltungen mit, angefangen mit den „Hofmarkstagen“ im Mai, eine Woche vor Pfingsten. Rund um den Weiher entstand eine mittelalterliche Atmosphäre mit unterschiedlicher Handwerkskunst aus der damaligen Zeit, Gauklern und Hexen. Valentin Schmitt trat zusammen mit dem mittelalterlichen Ensemble Capella Monacensis auf. Sie spielten in entsprechenden Kostümen auf Krummhörnern und Trommeln passende Musik.
Im Juni und Juli fand im damals neu gebauten Kindergarten Sumsemann eine Ausstellung statt mit dem Titel: „Türkenfelder Geschichte und Geschichten“, die von der damaligen Kulturreferentin Hildegard Deutsch und dem Gemeindearchivar Dieter Hess gestaltet wurde (siehe dazu TIB 29, 2019)*. Hildegard Deutsch erinnert sich gerne zurück an die interessanten Gespräche mit vielen Türkenfeldern, wenn es bei der Vorbereitung um die Hintergründe zu den Bildern ging. In positiver Erinnerung blieb ihr auch die Einigkeit, die im Rahmen der Festvorbereitungen im Gemeinderat herrschte. Für Dieter Hess war die Ausstellung eine willkommene Gelegenheit, einige der im Archiv schlummernden Schätze zu zeigen. Ihm ist im Gedächtnis geblieben, dass bis zur Ausstellungseröffnung noch eifrig an der Fertigstellung der Räume gearbeitet wurde. Unter den Besuchern der Ausstellung war auch der damals bereits hochbetagte Ottilianer Pater Harald Jäger, der sich als gebürtiger Türkenfelder stets seiner Heimat verbunden fühlte.
Unvergessener Höhepunkt der Veranstaltungen war die Festwoche Mitte Juli mit Bierzelt, Festgottesdienst und historischem Festumzug unter dem Motto „Von Duringveld nach Türkenfeld“. In über 60 Fußgruppen, Pferdegespannen, Ochsenwagen und von Traktoren gezogenen Themenwägen bewegte sich die Geschichte Türkenfelds chronologisch durch das Dorf. Angefangen von der frühen Besiedelung durch Kelten, Römer und Bajuwaren, über die Duringfelder, Aresinger und Staudinger, den Dreißigjährigen Krieg, den Bau von Kirche und Schloss, bis zur Geschichte der Schule und der Arbeit der Bauern und Handwerker in früheren Zeiten. Dargestellt wurden auch besondere Ereignisse, wie der Besuch des Prinzregenten Luitpold in Türkenfeld im Jahr 1896 und die Wiedererlangung der Selbständigkeit 1980. Zahlreiche Blaskapellen dazwischen sorgten für die musikalische Umrahmung. Unter den Ehrengästen war auch Sozialministerin Barbara Stamm, die in Vertretung für den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gekommen war.
Für diesen Festumzug brauchte es viele Darstellerinnen und Darsteller. Alle Vereine mit zahlreichen Mitgliedern, die Schule, die Kindergärten, die Kirchengemeinden, der Gemeinderat, die Landwirte mit ihren Gespannen, einfach alle waren in die Szenen eingebunden oder kümmerten sich um den reibungslosen organisatorischen Ablauf des Festzuges. Nicht zu vergessen die vielen Freiwilligen, die im Vorfeld beteiligt waren: bei der Gesamtplanung, der Beschaffung der Kostüme, Gestaltung der Wägen und vieles mehr.
Ob am Straßenrand oder im Festzug, ob Groß oder Klein – alle waren mit Begeisterung dabei
2024 – wieder ein Jubiläum
Heuer, abermals eine Generation später, feiert Türkenfeld sein 1275-jähriges Jubiläum. Mitte Juni finden dieses Mal die offiziellen Feierlichkeiten statt. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und bislang ist jedenfalls auch keine neue Urkunde aufgetaucht, die Türkenfelds Alter erneut korrigiert hätte. Damit können die Türkenfelder wieder einmal unter Beweis stellen, dass es sich hier nicht nur gut leben, sondern auch gut feiern lässt.
Irmgard Meißner
Erschienen in der Frühjahrsausgabe 2024 – TiB Nummer 42, Seite 8