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Die Geschichte des „Greiff„-Bauernhofs und der Familie Silbernagl

Gegenüber der Zankenhausener Kirche befindet sich eine hufeisenförmige Hofstelle mit einem stattlichen Wohnhaus, einem großen Stadel und einem kleineren Nebenhaus zur Rechten. Es ist der Besitz der für die Zankenhausener Dorfgeschichte sehr bedeutenden Bauernfamilie Silbernagl. Der Hofname beim „Greifferbaurn“ ist heute noch unter älteren Zankenhausern gebräuchlich. Der „Greiff “-Hof wird heute nicht mehr bewirtschaftet; er galt früher als einer der bedeutendsten Bauernhöfe im Landkreis Fürstenfeldbruck. Das erste Mal urkundlich erwähnt wurde er bereits 1570, im Jahr 1613 findet sich im Staatsarchiv
folgender Text dazu:

“Hanns Kaindl besitzt einen hof, freystyfftsweiss, hat haus, hof, stallung und casten, darunter ein wagenschupfen sambt einem feuerhauss mit ziegeln deckt, darbey einen schöpfbronnen, alls voneinander separiert und zimblich wol erpaut. Item bei dem hof ein gartten, darinnen 20 fruchtbar pämb, weliches alles der Kaindl von seinem schwecher Caspar Kreufft (= Greiff) keuflich an sich gebracht und zu anfal bezalt 90 fl. (Florint)“. 1671 steht: „Wolff Kuendl besitzt einen hof, hat 6 ross, 2 jerling, 8 küe, 10 jungrinndl, 8 schaff, 11 schwein clain und gross, hats zu erster kriegszeit von dem collegio erkauft und in solchen jaren an
die 50 fl. verpaut.“ Wert: 1100 fl.

Ohne Jahreszahl: Der Greiff-Hof, abgebildet auf einer Postkarte.

Der Zankenhauser Dorfschullehrer und Ortschronist Erwin Wiesmeier schrieb in den Sechzigerjahren über den „Greiff “- Hof und seine späteren Besitzer Silbernagl: „Die Geschichte der Silbernagl ist zunächst die Geschichte des Käserhofes, der heute im Besitz der Familie Höpfl ist. Seit dem 17. Jahrhundert war auf diesem Hof eine Familie Drexl ansässig. Wolffgang Drexl, Pfarrer und Dechant zu Zankenhausen, ist 1613 in der Hofmarkbeschreibung als Besitzer erwähnt. (…) Es ist anzunehmen, dass die Verwandten dieses Pfarrherrn den Hof weiterführten und vererbten.
Im 19. Jahrhundert betrieb der unverheiratete Joseph Drexl den Hof. Als seine beiden Geschwister Johann und Therese schwer erkrankten, bat Josef seine Base Therese Klaß aus Unterwindach, zu ihnen zu ziehen, um jemanden zu haben, der den 3 Geschwistern den Haushalt führt. 1858 kam diese Therese Klaß als blutjunges Mädchen nach Zankenhausen. Die beiden Geschwister von Joseph Drexl starben bald darauf. Vermutlich gab Drexl das Anwesen an Therese Klaß, als sie am 27. April 1868 Matthias Silbernagl, einen Gastwirtsohn aus Moorenweis, heiratete“.

Matthias Silbernagl und seine Frau tauschten kurz darauf ihr „Käser“-Anwesen gegen den Greiff-Hof ein, als dieser von seinem damaligen Besitzer Stephan Keller, der keinen Hoferben hatte, aufgegeben wurde. Außerdem kauften sie noch weitere 40 Tagwerk Grund zu. Ihr Sohn und Hofnachfolger Matthias konnte den Besitz bei der Zerschlagung des „Jackabauer“-Hofes noch weiter mehren. Anschließend besaß der „Greiff “-Hof der Silbernagls 140 Tagwerk und war damit der größte und schönste Hof in Zankenhausen und Umgebung. Als 1874 in Zankenhausen eine Schule errichtet wurde (ab 1875 wurde dort unterrichtet), stellten Matthias Silbernagl und seine Frau den Grund dafür zur Verfügung. Bürgermeister und Ökonomierat Matthias Silbernagl 1911 übernahm der nächste Matthias Silbernagl von seinem Vater den Besitz und heiratete die Bauerstochter Maria Silbernagl aus Eismerszell. Heiraten unter vermögenden Verwandten war damals gang und gäbe, damit „´s Sach beim Sach bleibt“. Am Tag nach der Hochzeit kam der Brautvater und überbrachte als Mitgift 12.000 Reichsmark in Goldstücken.

1911: Hochzeitsbild von Matthias und Maria Silbernagl, gefeiert wurde im Wirtsgarten.

Kurze Zeit danach wurde das Nebengebäude, in dem sich eine Krämerei befand, umgebaut und eine Schmiede eingerichtet. 1914 wurde Matthias Silbernagl einberufen, seine Frau Maria führte mit Hilfe eines russischen Kriegsgefangenen den Hof allein weiter. Nach seiner Heimkehr vom Krieg wurde Matthi-
as Silbernagl zum Bürgermeister von Zankenhausen gewählt. 1920 erbaute die Gemeinde unter seiner „Regentschaft“ auf dem Grund der Silbernagls eine Milchsammelstelle, des Weiteren ein Wasserhaus und in der Dorfmitte ein Kriegerdenkmal. 1925 wählte man ihn zum 1. Vorsitzenden der Bezirksbauernkammer Fürstenfeldbruck. Extra zu diesem Anlass wurde ein Volksfest gefeiert.

Zusätzlich war Matthias Silbernagl Mitglied des Oberbayrischen Kreistages, des Fürsorgeausschusses und Aufsichtsrat der Bayerischen Zentralgenossenschaft Regensburg. Wegen seiner Verdienste um die Landwirtschaft verlieh man ihm den Titel Ökonomierat. Er war nicht nur ein angesehener Kommunalpolitiker, sondern auch ein bayernweit bedeutender, einflussreicher Bauernführer. Gegen Ende der 20er Jahre bemühte er sich verstärkt um Ahnenforschung und fand heraus, dass der Name Silbernagl das erste Mal 1520 in Tirol beurkundet war. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der danach wütenden Pest wurden seine Vorfahren auf Betreiben des Klosters Fürstenfeld hier angesiedelt.

Das Wappen der Silbernagl wurde erstmals 1933 über der Haustür angebracht. 1960 wurde es vom Münchner Kunstmaler Hausinger in Freskomanier vollkommen erneuert.
932: Bauerntag in Türkenfeld, links Ökonomierat Matthias Silbernagl.

Dieser Ahnennachweis war wichtig in Zeiten, wo der Name Silbernagl als jüdisch gedeutet werden konnte. 1933 wurde das Silbernagelsche Wappen über der Haustüre angebracht. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 verhaftete man den überzeugten Nazigegner Matthias Silbernagl und brachte ihn für zwei Wochen in Schutzhaft nach Fürstenfeldbruck. Das Bürgermeisteramt wurde ihm samt Diensttelefon entzogen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Post von ihm nach Angaben seiner Tochter, der Greiffer Kathi, mit dem Decknamen Isidor unterschrieben. Von den 6 Kindern des Ehepaars, 2 Buben, 4 Mädchen, starb die Monika im Alter von 11 Jahren nach einer Blutvergiftung. Der jüngere Bub Joseph half auf dem Hof mit, der ältere studierte an der TU in München. Ihm wurde nach seinem Doktor als Diplom-Landwirt eine zweijährige Forschungsreise nach Südwest-Afrika angeboten. Dort landete er als Deutscher schon kurz nach Kriegsausbruch in einem Namibischen Internierungslager, wo er bald darauf eine Blaskapelle gründete. Nach dem Krieg blieb er in Südafrika, machte in Kapstadt sein Staatsexamen in Musik und arbeitete fortan als Musiklehrer.

Sein in Zankenhausen gebliebener jüngerer Bruder Josef lernte auf Bitten des Pfarrers Klavier, um die kriegsbedingt verwaiste Kirchenorgel zu spielen. Nach einem Jahr bereits konnte er in der Kirche die Messe mit Orgelmusik mitgestalten. Mit Ausbruch des 2. Weltkriegs 1939 waren beide Knechte eingezogen worden; an ihrer statt wurden zwei französische Kriegsgefangene zugeteilt. 1942 starb der vor der Nazi-Zeit hoch geachtete frühere Bürgermeister Matthias Silbernagl im Alter von erst 62 Jahren. 1944 wurde sein Sohn Josef Silbernagl eingezogen, kehrte aber nach Kriegsende wieder heil zurück. Übrigens bestand die Zankenhauser Feuerwehr während des Krieges mangels Männern aus lauter Mädchen und Frauen.
Nach dem Krieg ging auf dem „Greiff “-Hof das bäuerliche Arbeitsleben wieder los. 1948 wurden Traktor, Bindemaschine und Gummiwagen angeschafft. Am 23. September 1963 heiratete Josef Silbernagl die Bauerstochter Katharina Schamberger aus Hochdorf bei Althegnenberg.

Montag, 23. September 1963, Münchner Merkur, Brucker Nachrichten

Diese große Bauernhochzeit wurde auch im Münchner Merkur mit einem langen Artikel gewürdigt (siehe Zeitungsberichte). Aus dieser Ehe gingen 4 Mädchen hervor. Schon 1976 starb Josef Silbernagl nach kurzer schwerer Krankheit, seine Frau stand mit den 4 Kindern alleine da. 1977 kam der Dorfhelfer Josef Jais aus Wildsteig an den Hof, da die schwere Hofarbeit ohne Mann nicht geleistet werden konnte. Er nahm sich der vier Töchter wie ein Vater an und entpuppte sich als Glücksfall für den Hof. Zwei Jahre später heiratete die Witwe, der Fortbestand des Hofbetriebes war dadurch gesichert.
Jutta Silbernagl, die als Hoferbin eingesetzt war, führte die Landwirtschaft zunächst weiter, heiratete 2004 aber in einen anderen Hof nach Pflugdorf bei Reichling ein. Seitdem wird dieser einst blühende und über die Landkreisgrenzen bekannte Hof nicht mehr bewirtschaftet.

Hans Well
Erschienen in TiB Nr. 30 – Frühjahr 2020, Seite 8 – 10