1864 bauten Nikolaus und Maria Deutlmoser am damals westlichen Ortsrand von Türkenfeld das Haus Nr. 77. Deren Kinder Josef und Rosina teilten ihr gemeinsames Erbe. Josef Deutlmoser
erhielt eine ansehnliche Abfindung, Rosina das Anwesen. Am 24. April 1882 heiratete sie Korbinian Menzinger.
Holzhütte und Backhaus wurden 1889 abgebrochen, eine Werkstätte mit Holzhütte neu gebaut. Der Anbau am Stadel war im Juni 1899 fertiggestellt. Im rechten Winkel zu dem großen Gebäude mit Stadel, Stall und Wohnhaus kam 1902 das kleine Wohnhaus dazu.
Mindestens in der zweiten Generation waren die Deutlmosers 1864 Wagner und Bauern gewesen. Sie brachten den Hausnamen mit. Auch die späteren Eigentümer des Anwesens führten die Wagnerei fort.
Das Ende der Leiterwagen
Auf Korbinian war Anton Menzinger gefolgt, 1949 übernahm sein Sohn Anton Hof und Wagnerei. Sie war ihm Zeit seines Lebens besonderes Interesse wert. Hauptprodukt der Wagnerei waren Räder für Leiterwagen: Radnaben, Speichen und Reifen aus bestem Holz. Die äußeren Eisenreifen brachte der Schmied an. Nach dem Krieg wurden nach und nach immer mehr landwirtschaftliche Fahrzeuge aus Metall und mit Luftbereifung gebaut. Leiterwagen hatten dagegen keine Chancen. Ab 1955 stellte Anton Menzinger keine Wagenräder mehr her. Die Wagnerei war immer auch Schreinerei gewesen. Die Herstellung der Speichenräder hatte überwogen, weil sie den meisten Verdienst einbrachte.
Wagnerei und mehr
Holzbearbeitung hatte so große Bedeutung im Leben von Anton Menzinger, dass es ihm nicht schwer fiel auszuprobieren, womit er nun Erfolg haben könnte. Er baute Rodel aus Eschenholz und Ski. Die Kufen und Skispitzen bog er mit Hilfe seiner Frau über Dampf in der Küche. Der Dampf kam aus dem Wasserschiff des überheizten Kachelofens. Seine Eisstöcke waren beliebt. In jedes von ihm gearbeitete Stück ritzte er seine Initialen AM ein, auch in die Melkhocker, die kleinen von ihm gebauten Möbelstücke und die kunstvoll gearbeiteten Kästchen. Die Wagnerei war nicht alles. Es gab ja noch die Landwirtschaft und die Familie und seine sportlichen Neigungen. Im Garten baute er ein 1,2 m tiefes und 5 m x 12,5 m großes Schwimmbecken. Er hat es selbst ausgehoben und ausbetoniert. Seit Jahren steht es leer, aber Boden und Wände haben keinen einzigen Riss. Das Bienenhaus im Garten hat er gebaut, den Honig mit der Zentrifuge selbst geschleudert. Bevorzugte Freizeitaktivität war Bergwandern. Enkel Ewald hat gute Erinnerungen daran. Als Kind war er einmal dabei, als sein Großvater mit der ganzen Familie auf die Hohe Munde wanderte. Ein weiter Hatscher hinauf und wieder zurück, im Rucksack Brotzeit und Getränk. Mit Einkehrmöglichkeiten ist es dort schlecht bestellt. Aber die Aussicht unterwegs und vor allem von dem breiten, unschwierig
zu erreichenden Gipfel aus ist nur schwer zu überbieten. Vater (und später auch Großvater) Anton Menzinger hatte Energie, einen starken Willen und Erfolg. Er forderte sich und, das könnte ich mir vorstellen, auch seine Familie.
Die historische Werkstatt
Im März traf ich mich mit Familie Klaß in der Werkstatt, um über das Haus Nr. 77 mehr als die schon gesammelten Archivdaten zu erfahren. Meine Gesprächspartner, ein geheizter Eisenofen, nicht weit davon ein kleiner runder Tisch, darauf heißer Kaffee und Kuchen erwarteten mich. Eine freundliche Insel im dunklen Chaos rundherum. Ewald Klaß zeigte mir die alten Maschinen, die sein Großvater angeschafft hatte. Seine Frau und er arbeiten daran, die Werkstatt zu erhalten. Mitte Mai saß ich aus gleichem Grund wieder mit der Familie Klaß an dem runden Tisch, aber in der Sonne vor der Werkstatt. Kaum zu glauben: In der Werkstatt war es hell. Eine Langlochbohrmaschine, eine Fräse und eine Bandsäge mit Transmissionsantrieb sprangen auf Knopfdruck an, die Hobelbank war betriebsbereit. Ewald Klaß sägte einen 10 cm dicken Pfosten mit dem alten Sägeblatt ganz leicht durch. Die Maschinen hatten 10 Jahre lang ohne Wartung und Pflege still gestanden. Im Nebenraum war schon eine Holztreppe zum Obergeschoss der Werkstatt gebaut, dessen Existenz niemand mehr in Erinnerung gewesen war. Ich bin sicher, dass die Erhaltung der historischen Werkstatt gelingen und dass sie wieder voll zu nutzen sein wird.
Von Eva Gehring
Erschienen in der TiB Nr. 13, Sommer 2014, Seite 5 – 6
Hinweis: Die Bilder liegen leider nicht im Original vor und mussten so dem PDF Dokument entnommen werden. Eine hervorragende Bildqualität finden Sie in der entsprechenden TiB – Ausgabe.