Eigentlich wollten wir ja nur über die „G’frieranlag“ an der Moorenweiser Straße unterhalb vom Schloss berichten. Aber wen wir auch fragten, immer wieder hieß es: „Schauen Sie doch mal bei der Frau Thienel vorbei“. Und so ist das eben ein Artikel über Rosa Thienel geworden, der ersten Ortsbäuerin seinerzeit in Türkenfeld. Über die Gefrieranlage, zu deren Verwirklichung sie damals sehr viel beigetragen hat, schreiben wir dann in einer der nächsten Ausgaben der TiB.
Schreiben’s doch nix über mich, lassen’s mich da raus“, war ihr erster Kommentar. Aber jeder, der Frau Thienel kennt, weiß, wie munter die heute 85-jährige Bäuerin erzählen kann – wie’s früher einmal war.
Zur Geschichte der Rosa Thienel: Nachdem sie 1953 Edwin Thienel in Windach geheiratet hatte, kauften sie schon im nächsten Jahr den Hof vom „Stoffelmann Bernhard“. Mit 60 Tagwerk, erinnert sich heute die damals 28-jährige Jungbäuerin. Ihr Mann kam aus dem Sudetenland, war in russischer Gefangenschaft
gewesen und in den Nachkriegswirren im Landsberger Raum gelandet. Am Anfang war es für die beiden „Neubürger“ nicht immer ganz einfach, erinnert sich Rosa Thienel, die selbst von einem großen Hof aus Windach kam.
Im April 1954 hat dann die Kreisbäuerin vom Brucker Land beim damaligen Bürgermeister Konrad Huss nachgefragt, welche Bäuerin in Türkenfeld wohl für das Ehrenamt einer Ortsbäuerin in Frage käme. Er schickte sie gleich weiter zu Rosa Thienel – warum, das weiß sie bis heute nicht. Aber sie blieb 30 Jahre lang im Amt – von 1954 bis 1984.
Als frisch gewählte Ortsbäuerin hatte sie dann gleich 1955 ihre erste Unterschriften-Aktion gestartet. „Entweder ich mach’s richtig oder ich mach’s gar nicht. Da musst du dich schon kümmern,
wenn du den Posten hast“, war ihre Devise.
So ist sie dann „umeinander g’rennt“ und hat Unterschriften gesammelt für die Idee einer gemeinsamen Gefrieranlage. Alle, die einen Hof hatten, waren dafür. Wie sie das immer so geschafft hat, ist ihr heute ein Rätsel. Sie musste ja zusammen mit ihrem Mann die Hof- und Feldarbeit allein bewältigen. Dazu war sie
auch gerade noch Mutter geworden.
Wenn Rosa Thienel Neuigkeiten hatte oder die Bäuerinnen zu einer Versammlung einladen wollte, dann klebte sie Zettel an die Gefrierschränke. „Aber die Rosl kommt schon noch selber vorbei“, erwarteten die Bäuerinnen von ihr. So machte sie sich persönlich ein ums andere Mal auf den Weg zu jedem einzelnen
Hof. Sicher war das nicht die schlechteste Möglichkeit, im Dorf bekannt zu werden und Vertrauen zu schaffen. Und wenn eine Feier oder ein Ausflug stattfand, einmal im Jahr, hat sie immer darauf geachtet, sich nie zweimal zu ein und derselben Person zu setzen, damit nur ja alles gerecht zugeht.
Zu den Kreisversammlungen des Bäuerinnenverbandes in Bruck oder auch auf die jährlichen Ausflüge musste sie anfänglich immer alleine fahren. Damals ein Problem, denn die Männer haben ihre Frauen nur ungern weggehen lassen. Auch ihr Mann hat immer „so g’schaut“, wenn sie mit dem Zug auf
Bruck musste und an den Abenden dann eben immer zu spät in den Stall gekommen ist, obwohl sie nie die Versammlungen bis zum Ende erlebt hat, erinnert sie sich. „Wie die Männer halt so sind, nicht begeistert, wenn man weg war“.
„Die Züge sind damals ja nicht so oft auf Bruck gefahren und dann waren immer noch die langen Fußwege zum und vom Bahnhof “, erzählt sie. Mit den Jahren fuhr dann erst Frau Brix mit, später waren auch noch andere Bäuerinnen dabei. „In Bruck war ich ja ein kleiner Fisch und hab’ niemand gekannt, weil ich ursprünglich doch vom Landsberger Kreis war. Die anderen Frauen waren meist von viel größeren Höfen aus dem Brucker Landkreis“.
In den Anfangsjahren sind die Ortsbäuerinnen noch von den Männern gewählt worden. Dazu schildert sie: „Als ich 1956 nach der Entbindung meines zweiten Sohns in Landsberg in der Klinik gelegen bin, ist mein Mann mit dem Motorrad zu Besuch gekommen und hat mir gesagt, dass ich wiedergewählt worden
bin. Das hat zumindest so in der Zeitung gestanden. Mehr hat mein Mann auch nicht gewusst. Na, die hätten mich ja wenigstens mal fragen können!“, räsoniert sie. Rückblickend war’s für Rosa Thienel eine richtig gute Sache, denn so ist sie doch immer wieder mal aus dem Dorf rausgekommen. Nach 15 Jahren erhielt sie eine silberne Ehrennadel, später dann ist noch eine Ehrung dazugekommen. Die hängt jetzt bei ihr in der Küche über der Anrichte. „Es war eine gute Zeit, auch wenn ich viel Zeit dafür geopfert habe, aber wir alle haben viel gelernt und schön war’s auch für die anderen“.
Lieben Dank an Rosa Thienel für das interessante Gespräch in ihrer Küche – wir von der TiB wünschen ihr alles Gute und beste Gesundheit!
Heute wählen die Bäuerinnen ihre Ortsbäuerinnen längst selber. Gerade wurde in Türkenfeld Renate Schorer zum dritten Mal in Folge gewählt. Übrigens hat Zankenhausen mit Christine Steber eine eigene Ortsbäuerin.
Da Renate Schorer mittlerweile einer Teilzeitarbeit nachgeht, hätte sie eigentlich keine Zeit mehr für den Posten. Aber niemand außer ihr hätte zur Wahl gestanden, erzählt sie. Die Schorers haben 2003 ihre Milchwirtschaft aufgegeben. Ihre Stallungen hätten damals sonst vergrößert werden müssen.
Zu ihrer Aufgabe als Ortsbäuerin gehört es, Neuerungen rund um die Landwirtschaft verständlich weiterzugeben und dabei einen Zusammenhalt zu schaffen im Ort. Das aktuelle Thema ist die EU-weite Zwangsstilllegung von 7 % der förderungswürdigen Ackerfläche für jeden Landwirt – egal wie groß der Betrieb ist! (Anmerkung der Redaktion: Bei der Zwangsstilllegung handelt es sich um einen EG-Vorschlag zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2014 bis 2020).
Wir fragen, ob die Arbeit im Verband so gesehen nicht auch eine politische Arbeit sei? „Nein“, sagt sie, „wir Frauen machen die soziale Arbeit, dazu haben wir den Stammtisch alle vier Wochen“. „Haben Sie dort schon einmal über die Dorferneuerung in Türkenfeld gesprochen?“, wird sie gefragt. „Viele in meinem Umkreis sehen das positiv, aber zum Stammtisch kommen meist die älteren Frauen, die schon in Rente sind und die haben meist nur noch wenig Interesse, aktiv mitzumachen“.
Dann kommt sie auf ein weiteres Thema, das ihr sehr am Herzen liegt. So wird heute der Bau von Biogas-Anlagen gefördert, was die Nachfrage nach Anbauflächen erhöht. Einheimische, kleine Betriebe können dann bei den stark gestiegenen Pachtpreisen kaum mehr mithalten. Für den Einzelnen, der verpachtet, ist das ja verständlich. Diese Entwicklung führt aber dazu, dass immer mehr Monokulturen durch den Maisanbau entstehen – nicht um Menschen oder Tiere, sondern um „Bio“-Gasanlagen damit zu füttern! „Eine zweifelhafte Angelegenheit“, meint sie,
„denn wenn in ein paar Jahren die Böden ausgelaugt sind, ziehen die Pächter einfach wieder weiter und lassen kaputte Böden zurück“. Bedauerlicherweise gibt es heute keine Fruchtfolgen mehr wie Bienenweiden (Wildkräuterstreifen), Getreidestreifen und Brachstreifen, wie das früher üblich war, damit die Böden sich erholen können. Der immer stärker wachsende Wettbewerbsdruck ist eben auch in der Landwirtschaft zu spüren, Nachhaltigkeit kommt da nicht selten zu kurz. Und das führt leider nicht nur zur Verarmung der Bodenkultur, merkt Frau Schorer an, sondern verändert auch das Miteinander im Dorf.
Vielen Dank an unsere Ortbäuerin Renate Schorer und herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl.
Von Claudia Straßmann
Erschienen in der TiB Nr. 5, Frühjahr 2012, Seite 12 – 13